ex voto
Konzept: Dominik Wunderlin, Kulturwissenschaftler, Leiter der Abteilung Europa/Volkskunde am Museum der Kulturen Basel
Gestaltung: Viktor Stampfli, Winikon
Man findet sie noch ab und zu in Wallfahrtskapellen, die gemalten Holztäfelchen, mit denen für die Heilung von einem Gebresten, für eine gute Geburt oder einen glimpflich abgelaufenen Unfall gedankt wurde. Sie heissen nach einem lateinischen Ausdruck «Ex voto» (= auf Grund eines Gelöbnisses), weil sie in einer Notsituation versprochen worden sind.
Jedes Ex voto erzählt von einer grossen Not oder einem einschneidenden Schicksalsschlag im Leben eines Menschen, der sich in seiner Verzweiflung an einen Heiligen gewandt und Hilfe gefunden hat. Oft lässt das Bild eine persönliche Beziehung erahnen zwischen dem kniend dargestellten Beter oder der Beterin und dem meist von einer Wolke umgebenen Heiligenbild. Die Votivtafeln sind einfache, volkstümliche Bilder, gemalt von einem «Künstler» aus dem Dorf, und eindrückliche Zeugnisse aus einer Zeit, als man das Heil in der Regel noch nicht in der Medizin suchen konnte.
Der Arzt und Sammler Dr. Edmund Müller-Dolder in Beromünster (1870-1945) war neben seinem Beruf auch ein engagierter Volkskundler mit fundierten Kenntnissen über die religiöse Volkskunst. Ihm lagen die Ex voto, diese Dokumente des Volksglaubens, sehr am Herzen. Daher wurde er auch als fachlicher Mitarbeiter beigezogen, als um 1940 das Projekt eines gesamtschweizerischen Inventars aller Votivbilder gestartet wurde. Da immer wieder solche Täfeli aus den Wallfahrtskapellen entfernt wurden und in den Kunsthandel gelangten, konnte Edmund Müller-Dolder eine grosse Anzahl für seine Sammlung erwerben. Sie befinden sich heute im Haus zum Dolder und im Schloss-Museum Beromünster.
Im Rahmen des vor zehn Jahren im Haus zum Dolder gestarteten Langzeitprojektes, die Kostbarkeiten der Sammlung Dr. Edmund Müller wissenschaftlich zu bearbeiten und in thematischen Ausstellungen dem Publikum zu zeigen, sind dieses Jahr die Votivtafeln, Votivgaben und andere Belege der Wallfahrtsfrömmigkeit an der Reihe. Im Gegensatz zu andern Teilen der Sammlung – etwa den kostbaren Hinterglasgemälden oder den prachtvollen Aufsatzkommoden – haben die Votive keinen grossen künstlerischen Anspruch und kaum einen materiellen Wert. Sie sind in einem anderen, geistigen Sinn Kostbarkeiten, als Ausdruck der Hoffnung einfacher Menschen auf eine höhere Macht. Die Ausstellung lenkt zudem den Blick auf das Wallfahrtswesen und die eindrückliche Sakrallandschaft des Kantons Luzern. Viele der einst über 100 kleineren und grösseren Wallfahrtsorte werden im Bild vorgestellt.